Christian Ude

„Residenzen“ – ganz ohne Flair

Von am 4. Dezember 2014

Früher bin ich in Schwabing an ganz normalen Häuserzeilen vorbeigeradelt. Aber heute gibt es bald keine „Häuser“ mehr. Kein Witz! Dafür immer mehr „Residenzen“, „Höfe“ oder „Palais“. Diese höfische Sprachkosmetik der Immobilienbranche soll die Höchstpreise begründen, die jetzt kassiert werden. Damit jeder Käufer glaubt, für sein Geld fürstlich oder gar königlich residieren zu können. Aber die sprachliche Monarchie langt noch nicht. Die geldigen Leute müssen auch noch mit künstlerischem Flair angelockt werden. So steht dann tatsächlich im Prospekt, dass dieses Viertel früher mal Wahnmoching hieß, ein Künstlerviertel war mit vielen Atelieres und Kneipen, mit großen Namen glänzte und eine unverwechselbare Atmosphäre hatte.

Und jetzt? Jetzt beseitigt die Immobilienbranche, womit sie wirbt. Ein Künstlerlokal? Weg damit! Live-Musik? Schluss damit! Auch wenn es die letzte ist im Schwabinger Podium. Ateliers im Dachgeschoss? Werkstätten im Hinterhof? Rechnet sich nicht. Studenten oder gar Künstler? Sollen von der Stadt am Stadtrand untergebracht werden, hier sind nur Leute gefragt, die es sich auch leisten können.

So sägen die Eigentümer (nur sie können darüber entscheiden) an dem Ast, auf dem sie immer noch komfortabler sitzen wollen. Und machen kaputt, was sie reich gemacht hat: die Atmosphäre. Es ist nicht die Zeit, die das Flair von damals zerstört. Es ist die Gier, sich nicht mit der Rendite zufrieden zu geben, die jahrzehntelang ausgereicht hat. Als diese Häuserzeilen noch Atmosphäre hatte …

Kolumne: Der Rote Radler
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