Christian Ude

Womit die Roten Radler in Ungnade fielen

Von am 12. Juni 2014

Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin kein Freund deftiger Schimpfworte. Trotzdem habe ich nichts dagegen, wenn Sie zu mir als Rotem Radler „Lausbua, mistiga“ sagen. Nicht nur, weil das zu den schönsten bayerischen Schmähungen gehört. Nein, es ist ein wahrlich himmlisches Wort, jedenfalls wenn es an einen „von uns“ gerichtet wird.

Die „Roten Radler“ hat es wirklich gegeben, und das waren keine umweltfreundlichen Sozis, sondern die ersten deutschen Radkurierdienste. Sie lieferten ab 1910 in München, Stuttgart, Freiburg und Regensburg ihre Sendungen aus und waren an den Bahnhöfen eine lästige Konkurrenz für die Dienstmänner, die auch mal Kurierdienste verrichten wollten. Besonders Dienstmann Nr. 172 war schlecht auf sie zu sprechen, richtig: Der Alois Hingerl, der „Münchner im Himmel“. Er war so geschockt, dass er bei der Himmelspforte gleich nach Petrus einem Roten Radler begegnen musste, dass er erst seiner Verwunderung Ausdruck verlieh („Kemmt’s ös da rauf aa?“) und dann seinem Zorn: „Lausbua mistiga!“. Zum krönenden Abschluss haute der Dienstmann dem Radler sein Himmelsinstrument um die Ohren, weil er ohnehin davon genervt war, zum Harfenklang dauernd „Hosianna“ singen zu müssen.

So schilderte es Ludwig Thoma. Heute, in Zeiten des Internets, erfahren wir noch mehr. Wikipedia weiß zu berichten, dass die Roten Radler „freundlich“ waren und bekannt für “ihren mutigen Fahrstil“. Das verdient doch Respekt. Auch wenn wir bei „mutigem Fahrstil“ nicht nur an prachtvolle Kerle, sondern auch ein wenig an „Radl-Rambos“ denken.

Kolumne: Der Rote Radler
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