Christian Ude

Lasst die Kirche im Dorf!

Von am 22. Mai 2015

Manchmal hat man es als altes Gewerkschaftsmitglied mit silberner Ehrennadel gar nicht leicht, im Klassenkampf auf dem gewünschten Bein Hurra zu schreien. Das betrifft vor allem natürlich Herrn Weselsky, der mit seinem kleinen Lokführerverein konsequent gegen den Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ kämpft. Ich erinnere mich noch gut, dass Maikundgebungen mal unter diesem Motto standen – und Frauen streiten heute noch mit Recht für diese Parole. Wenn sich die Zersplitterung der Tariflandschaft durchsetzt, gibt es bald sogar im selben Betrieb, ja sogar  im selben Bürozimmer unterschiedlichen Lohn für exakt die gleiche Arbeit. Was für ein Widersinn!

Aber auch große Gewerkschaften machen es einem manchmal nicht leicht. Bayern hat zum Beispiel eine der strengsten Ladenschlussregeln für Sonntage. Gut so. Familienmitglieder, Freunde und Bekannte sollen auch mal am selben Tag frei haben, der Job ist nicht alles, das Einkaufen auch nicht. Nur vier Ausnahmen sind erlaubt, im gesamten Jahr. Nun will der Stadtrat die vierte und letzte Ausnahme in Anspruch nehmen, am Stadtgründungstag. Am Geburtstagsfest der Stadt. An diesem Tag ist die Stadt bei schönem Wetter bis zum Bersten überfüllt. Klar, die großen Häuser wollen da Kasse machen. Aber das können sie nur, weil so viele Menschen unterwegs sind, die auch einkaufen wollen. Sonst wäre es ja kein Geschäft.

Aber die Gewerkschaft ruft Zeter und Mordio, als ob ein vierter Einkaufs-Sonntag, den es im gesamten Umland schon gibt,  der Untergang der Arbeitnehmerrechte wäre. Besonders progressive Menschen sind empört über die drohende Lockerung des Verbots, verlangen aber gleichzeitig immer längere Öffnungszeiten für ihre Kneipen. Als ob Köche, Kellner und Bedienungen keine Familien hätten, keine Ruhe bräuchten…

Kolumne: Der Rote Radler
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