Christian Ude

Mein Rad sagt: Bloß kein Neid!

Von am 4. September 2014

Eigentlich war es ja mal als Symbol des Stolzes gedacht: Mein Löwen-Radl. Es hat seinerzeit über tausend Mark gekostet und sollte vom Selbstbewusstsein eines Vereins künden, der zwar nicht gerade vom Schicksal verwöhnt ist, sich aber trotzdem nicht unterkriegen lässt. Allzu oft habe ich es früher nicht benutzt, praktisch nur am Wochenende.

Aber jetzt ist die große Stunde gekommen – nicht des Vereins, sondern des Fahrrads! Es ist fast täglich im Einsatz. Für Einkäufe und Besorgungen, für Fahrten in die Stadt (natürlich durch den Englischen Garten), für kleine Ausflüge durchs Isartal, für Erkundungsfahrten am Stadtrand. Was für ein herrlicher Ruhestand!

Nur der Neid der Werktätigen macht mir gelegentlich zu schaffen. „Sie haben jetzt aber offensichtlich sehr viel Zeit!“ ist noch der freundlichste Kommentar. Ein wenig vorwurfsvoller klingt schon die Frage: „Ham Sie sonst gar nix mehr zu tun?“ Und andere sagen, gezeichnet von den Strapazen ihres Berufslebens: „Ja, ja, so gut lasse ich es mir auch mal gehen. In zwei Jahren ist es so weit.“

Zum Glück muss ich mich wegen meines „Lebens eines Taugenichts“ aber nicht verteidigen, denn irgendwann fällt der Blick der Gesprächspartner auf mein Fahrrad, und im Handumdrehen versiegt der Sozialneid und mir wird kistenweise Beileid geschenkt: „Oh mei, Sie hams aber wirklich net leicht!“ Oder: „Werd des überhaupt no moi wos mit Eich?“ Natürlich mischt sich oft auch Spott in die Beileidsbekundung. Da wird dann gefragt, warum die Sechzger nicht mal einen Präsidenten ohne Formfehler wählen können und ob es besonders schlau ist, eigene Spieler zu sperren, wenn man ohnehin zu wenige Talente hat. Da bin ich dann natürlich froh, wenn die Ampel wieder auf Grün schaltet und ich in Pedale treten kann. Aber das Gefühl, trotz des Müßiggangs im Beileid baden zu dürfen, bleibt zum Glück.

Kolumne: Allgemein
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